Ein Professor philosophiert

Es ist schon ziemlich altbacken, wenn sich ein seriöser Politologe wie Anton Pelinka zum Thema „Die unheilige Allianz. Die rechten und die linken Extremisten gegen Europa“ ausbreitet. Das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz (IFK) gab ihm jedenfalls Gelegenheit dazu eine aufgewärmte Version der unsäglichen Totalitarismusdoktrin von sich zu geben. Und der „Standard“ räumte Pelinka eilfertig gleich eine Seite für ein dazupassendes Interview ein.

Der Herr Professor ist mit seiner Ansage freilich weder neu noch originell, entspricht allerdings dem neoliberalen Zeitgeist. Selbiger wird etwa regelmäßig im „Standard“ von dessen Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid betont. Etwa wenn versucht wird jegliche Kritik an der offenbar als sakrosankt geltenden EU umgehend ins rechte Eck zu stellen und alle Kritiker als Anhänger von Strache, Stronach & Konsorten darzustellen. Auf diese Weise braucht sich das liberal gebärdende lachsrosa Blatt nicht mit Inhalten und Differenzierungen auseinanderzusetzen.

Eine „unheilige Allianz“?

Ebenso geht es Pelinka wohl um die Verteidigung der europäischen neoliberalen Hegemonie, die durch das Desaster auf den Finanzmärkten und der daraus folgernden anhaltenden Krise ernsthaft erschüttert ist. Linke und Rechte dabei in einen ideologischen Topf zu werfen ist dazu passend ein recht simples Totschlagrezept. Im „Standard“ ortet er gar „eine unheilige Allianz der linken und rechten Extremisten gegen Europa“ und will dazu Gemeinsamkeiten erforschen. Gar nicht dazu paßt freilich, dass Linke neben MigrantInnen stets das vorrangige Angriffsziel des rechten Pöbels und der Kellernazis vom dritten Nationalratspräsidenten abwärts sind.

Zur Untermauerung seiner Thesen definiert Pelinka das Proletariat als „Kleinbürgertum von gestern“ das „dem Faschismus mehr oder weniger Tür und Tor geöffnet“ hat. Ohne die vielfach auch proletarische Massenbewegung, die zu Hitlers Aufstieg führte zu ignorieren, Kanzler wurde er freilich, weil es das deutsche Großkapital so wollte und die NSDAP dazu auch ordentlich sponserte – also in berechtigter Erwartung sagenhafter Profite durch Terror, Krieg und Massenvernichtung „Tür und Tor geöffnet hat“.

Historische Erfahrungen

Auf die suggestive Frage des „Standard“-Redakteurs Josef Kirchengast, die Gemeinsamkeiten von Rechts- und Linksextremismus auf „Antisemitismus oder Antizionismus, Antiamerikanismus und, neu Antiglobalismus“ zu reduzieren gibt sich Pelinka jedoch eher vorsichtig und weist sogar der Sozialdemokratie in punkto Antisemitismus mehr Schuld zu als den KommunistInnen.

Dass es „viele direkte Übergänge“ an der Basis von der Sozialdemokratie zu den Nationalsozialisten gab sieht er immer noch als Tabu. Freilich müßte gerade ihm hinreichend bekannt sein, dass dies vor allem auch mit dem bis weit in die Kriegsjahre hinein eisern verteidigten Deutschnationalismus der Sozialdemokratie zusammenhing. Mit jenem Deutschnationalismus, der in der von SPÖ wie ÖVP nach 1945 gehätschelten FPÖ nach wie vor dominant ist.

Immerhin unterscheidet Pelinka insofern, als er Rechtsextreme als „Bauchbewegung“ auf Rasse, hingegen Linksextreme auf Klasse fixiert sieht und letzteren intellektuelles Potential zubilligt. Auch wenn er immer vom Extremismus schwadroniert zielt seine „Forschung“ auf die Linke schlechthin. Die als Beispiel angeführte RAF ist wohl mehr als unpassend für eine Charakterisierung der Linken.

Was will uns der Herr Professor nun mit seinen Auslassungen sagen? Summa summarum zielt seine Gleichstellung von links und rechts wohl in erster Linie darauf die Linke im weitesten Sinne anzupatzen. Auf Österreich bezogen zielt er wohl darauf, das Entstehen einer breiteren und politisch wirksamen Linken zu verhindern. Und er scheint dabei gar nicht zu merken, dass er damit die seit Jahren anhaltende Rechtsentwicklung legitimiert und begünstigt.

Kuschen vor dem Kapital

Als wesentliche Schlußfolgerung drängt sich auf, dass es darum geht jeden Protest, vor allem gegen die EU und ihre Auswüchse, im weiteren Sinne aber gegen Neoliberalismus, Globalisierung und das kapitalistische System insgesamt für unzulässig zu erklären: „Kuschen vor dem Kapital“ – so lautet das Motto jener neoliberalen Ideologen, die nur gelten lassen was sich in ihrem selbstdefinierten „Verfassungsbogen“ von konservativ, liberal, sozialdemokratisch und grün befindet.

Was Pelinka und Konsorten freilich nicht wahrhaben wollen ist, dass sie mit ihrer Ignoranz der tieferen Ursachen der Krise (nicht nur der EU, sondern des globalen Kapitalismus) erst recht jenem Unbehagen Raum geben, das sie eigentlich zu bekämpfen vorgeben. Denn für die Auswüchse der Krise wie steigende Arbeitslosigkeit, steigende Armut, Perspektivlosigkeit der Jugend, Sozialabbau und Bildungsmisere usw. sind bekanntlich nicht die KritikerInnen verantwortlich, sondern die mit Pelinkas Thesen legitimierte etablierte Politik.

Links mauern, rechts offenhalten

Was Österreich betrifft führt das durch die jahrzehntelange Abschottungspolitik der Sozialdemokratie nach links – Stichwort „Eisenstädter Erklärung“ – bei gleichzeitig größter Offenheit nach rechts dazu, dass erst Haider, dann Strache und künftig möglicherweise Stronach in klassisch rechter, populistischer Manier die Sahne abschöpfen. Worüber dann eben solche EU-phorikerInnen wie Pelinka oder Föderl-Schmid das große Wehklagen anstimmen.

Was der hochgradig akademisch gebildete Politologe nicht wahrhaben will ist auch ein doch gravierender Unterschied: Die extreme Rechte ist von ihrem ganzen Wesen her national orientiert (in Österreich freilich mehr auf die deutsche als auf die eigene österreichische Nation) und daher zwangsläufig gegen Europa. Die von Pelinka als extrem abgestempelte Linke hingegen ist durchwegs nach wie vor der Tradition des Internationalismus verpflichtet.

Die linke Kritik an der EU ist daher ganz anders fundiert als jene der Rechten, nämlich auf den unsozialen Charakter des „Europas der Konzerne“. Wäre Pelinka seriös, müsste er das eigentlich wissen. Aber anscheinend gibt es sich als billiger Propagandist des politischen Establishments. Mit Wissenschaft hat das daher herzlich wenig zu tun.

Gerade die von Pelinka neben anderen Zugängen als „altkommunistisch“ definierte griechische Linkspartei SYRIZA hat das nach ihrem Wahlerfolg deutlich zum Ausdruck gebracht. Als Parteichef Alexis Tsipras erklärte „Das Volk schickt heute eine Nachricht an Europa“ machte er deutlich, dass die tiefere Ursache der Euro-Krise nicht in Griechenland, sondern in Brüssel, vielmehr aber noch in Berlin liegt. Entsprechend nervös reagierte das politische Establishment der EU auch auf die Ansage in der EU bleiben zu wollen, aber die zerstörerischen „Sparprogramme“ abzulehnen.

Totalitarismusdoktrin aufgewärmt

Vom bürgerlichen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Thomas Mann stammt der Ausspruch „Der Antikommunismus ist die größte Torheit des Jahrhunderts“. Pelinka verdrängt diese Erkenntnis gezielt, mit seiner Gleichsetzung befindet er sich ganz im Gegenteil auf der Ebene der sattsam bekannten Totalitarismusdoktrin, mit der Faschismus mit Kommunismus gleichgesetzt werden. Das ist ähnlich ignorant wie die unsägliche Sozialfaschismus-These des Stalinismus, mit welcher seinerzeit die Sozialdemokratie mit dem Faschismus gleichgesetzt, zeitweise sogar als noch gefährlicher bezeichnet wurde.

Dies hat zweifellos nicht nur der internationalen kommunistischen Bewegung, sondern der ganzen Linken enorm geschadet hat. Damit und mit anderen Fehlentwicklungen ist die die Linke historisch belastet und sie muss das selber aufarbeiten, sonst wird es ihr immer wieder von ihren Gegnern aufgedrängt und vorgehalten. Aber keine ernstzunehmende Linke hängt heute noch solchen Ansichten an.

Pelinka hindert das freilich nicht, mit seiner Gleichsetzungstheorie alten Wein in neue Schläuche zu füllen. Das ist ähnlich verwegen wie die Behauptung des deutschen Historikers Götz Aly die Gleichheitsideologie der Sozialdemokratie hätte den Judenhass und damit die Judenvernichtung mit verursacht. Der dahinter stehende Gedanke ist freilich eindeutig: Die bestehenden Verhältnisse, und seien sie noch ungerecht, sollen nicht angetastet und in Frage gestellt werden.

Da bringt der Privatbankier Christoph Kraus die Dinge schon viel offener auf den Punkt wenn er meint „wer Armut verringern will, muss auch Reichtum zulassen“. Sonst könnten sich die Armen wohl nicht angesichts des enormen Reichtums an ihrer Armut erfreuen, ganz europäisch natürlich, um bei Pelinka zu bleiben.