Versteckte Kohle

In einem halbseitigen Inserat lässt sich die Linzer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft BDO Austria über das Thema „Wiedereinführung der Erbschafts- und/oder Vermögenssteuer?“ aus (OÖN, 14.3.2024). Bekanntlich wurde unter SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina 1993 im Zuge der um sich greifenden neoliberalen Verwirrung der Sozialdemokratie die bis dahin geltende Vermögenssteuer – jährlich pauschal ein Prozent auf das zu besteuernde Vermögen – abgeschafft. Gleichzeitig wurde unter Lacina das Instrument der Privatstiftung eingeführt und nicht nur von den Profiteuren dieser Einrichtung, sondern auch von der SPÖ als großartige Errungenschaft gefeiert.

In besonderer Weise wurde dazu damals argumentiert, mittels Stiftungen das Vermögen von Familien und Unternehmen zusammenzuhalten. Ergänzend dazu gibt es mittlerweile zwar auch die Möglichkeit einer Familienholding. Doch Mario Grünberger (BDO Austria) erklärt klipp und klar: „Mehr Stabilität bietet die Privatstiftung“, insbesondere wenn es um die „Versorgung der Familie als Begünstigte“ und die als „Golden Shares“ geltende Praxis „zum Erhalt der Stimmrechte der Familienmitglieder“ geht.

Eine späte – und fatale – Erkenntnis über die Konsequenzen trat allerdings mit der Mega-Pleite des Signa-Imperiums des Spekulanten René Benko zutage: Die als Erfolgsmodell gefeierten Privatstiftungen bieten nämlich „aber auch die Möglichkeit, Privatvermögen vor dem Zugriff unliebsamer Gläubiger zu schützen“ musste Dietmar Mascher mit Erschrecken im Fall von Signa feststellen (OÖN, 9.3.2024). Laut Gesetz ist nämlich das Vermögen der Privatstiftungen „vom Vermögen des Stifters getrennt. Die Gläubiger dürfen nicht darauf zugreifen“, ausgenommen „wenn der insolvente Stifter zugleich Letztbegünstigter der Stiftung ist“ (Standard, 3.4.2024)

Na sowas, da hat doch der feine Herr Benko glatt seine Kohle in Stiftungen – der Familie Benko Privatstiftung und der Laura Privatstiftung in Österreich und der Ingbe Privatstiftung im Steuerparadies Liechtenstein – versteckt und gilt jetzt frei nach Karl Heinz Grasser als „supernackt“, wenn auch keineswegs als „supersauber“.

Nicht genug damit: „Benkos Familienstiftung ist umgefallen“ (Standard, 29.3.2024) nachdem die 2001 gegründete Benko-Stiftung den Insolvenzantrag stellen musste. Über den Verbleib von „bescheidenen“ 854 Mio. Euro wird gerätselt. Fakt ist, dass Benko – der formal schon seit längerer Zeit keine geschäftsführende Funktion in seinem Signa-Imperium hatte – wie bei einem Hütchen-Spiel Gelder in die Stiftung verschoben und als „frisches“ Geld getarnt wieder an Signa-Gesellschaften eingespeist hatte um seine Mitgesellschafter wie Haselsteiner, Kühne und Konsorten zu veranlassen ihrerseits wirklich frisches Geld in das Imperium einzubringen. Der Stiftungszweck, nämlich die Versorgung der Familie, wurde insofern erfüllt, als Benkos Mutter als Begünstigte der Stiftung jahrelang satte Ausschüttungen bezog und einen Großteil an den Herrn Sohn weiterverschenkte.

Wie ein Damoklesschwert schwebt zusätzlich zur Pleite der Benko Privatstiftung die Forderung arabischer Investoren über Signa, es geht um eine satte Milliarde. Bei der Beschaffung war auch Sebastian Kurz behilflich, der als damaliger Kanzler Benko zu einem Staatsbesuch in die Emirate mitnahm und nach seiner Absetzung als „Berater“ tätig Ende 2022 für 100 Millionen Euro frisches arabisches Geld für Signa sorgte. Wohl um unerwünschte Einblicke in seine dubiosen Geschäfte zu vermeiden, verzichtet der feine Herr Kurz jetzt auf die Einforderung von 15 Mio. Euro „Honorar“ von Signa.

Während in anderen Ländern Stiftungen – zumindest nach außen hin – durchwegs philanthropische Ansprüche erheben, ist das in Österreich anders: Von 3.500 Privatstiftungen gelten nur 745 als gemeinnützig (Presse, 25.5.2023). Auch wenn deren Anteil seit 2015 von sechs auf 20 Prozent gestiegen ist – in Deutschland sind immerhin 90 Prozent gemeinnützig. In den USA, der Schweiz oder Italien gelten Stiftungen als besonders vermögend und es gehört zum gute Ton via Stiftung wohltätige oder kulturelle Projekte zu sponsern. In Spanien, Frankreich und China setzen Stiftungen sogar mehr als 30 Prozent ihrer Vermögen für philanthropische Zwecke ein.

US-Multimilliardäre wie Bill Gates, Warren Buffet oder Jeff Bezos gelten dabei als Aushängeschilder. Auch wenn die Gelder, die sie ihren Stiftungen zuschießen in Wahrheit nur Peanuts sind. Laut dem „Milliardärsreport“ der Schweizer Bank UBS sind sich angeblich 95 Prozent der von ihr betreuten Milliardäre ihrer Verantwortung „ökologische und gesellschaftliche Probleme“ anzupacken bewusst. Was tut man schließlich nicht alles für ein gutes Image, da opfert man doch gerne einige Brosamen.

Hierzulande herrscht hingegen ganz offiziell die schnöde Anbetung des Mammon vor und dienen Stiftungen vorrangig Instrumente zum Schutze großer Vermögen – und wie der Fall Signa beweist zum Verschieben von Geldern bei dubiosen Geschäften. Soziale Anliegen überlässt man anderen – etwa der 2016 eingerichteten Caritas Stiftung, eine von nur 14 vollständig gemeinnützig ausgerichteten Stiftungen – und jammert über die „fehlende steuerliche Bevorzugung“ von Spenden.

Aufschlussreich ist etwa das jährliche Ranking der reichsten Österreicher:innen: Demnach haben fast der TOP100 – davon 49 Milliardär:innen – mit einem Vermögen von 211,85 Mrd. Euro (trend, 7.7.2023) ihr Vermögen in einer Privatstiftungen gebunkert. Ein öffentlich einschaubares Register aller Privatstiftungen, vergleichbar mit Grundbuch oder Firmenbuch, gibt es bezeichnenderweise nicht. Der Verband Österreichischer Privatstiftungen erklärt die Gründe dafür – Wahrung der Diskretion.

Eine auf Grundlage der Informationen von Kreditschutzverband, Kreditforum Österreich, Hoppenstedt und „trend“ erstellte Liste der bedeutenden Privatstiftungen in Österreich ist aber nahezu identisch mit der Liste der reichsten ÖsterreicherInnen. Kein Wunder: „Die österreichische Privatstiftung gilt unter Experten als das freizügigste Privatstiftungsrecht und bietet in der Regel europaweit die größten Steuervorteile“, so die Selbstdarstellung auf einschlägigen Internetplattformen wie etwa SLC-Europe – vorausgesetzt man kann die Mindesteinlage von 75.000 Euro aufbringen.

Die „Stiftlinge“ legen größten Wert auf Diskretion: So ist es üblich, dass bei Veröffentlichungen über Stifter:innen wie auch Personen im Stiftungsvorstand der Brief eines Rechtsanwaltes ins Haus flattert, in welchem in deutlicher Dringlichkeit verlangt wird, solches zu unterlassen, widrigenfalls mit Klage zu rechnen ist. Da heißt es etwa, es handle sich um personenrelevante Daten und aus der Veröffentlichung dieser Namen könnten „Rückschlüsse auf deren Vermögensverhältnisse“ geschlossen werden. Dabei sind diese Namen für alle Öffentlichkeit bereits vor Jahren in einer „profil“-Dokumentation publiziert worden.

Offenbar haben die Damen und Herren Millionär:innen Angst demnächst überfallen und ausgeraubt zu werden, wenn sie stiften gehen. Aber keine Angst, sie haben ihr Geld doch ohnehin steuer- und diebstahlssicher in einer Stiftung gebunkert, vom Gesetz und findigen Anwälten sorgsam bewacht und geschützt. Unsere angeblichen Leistungsträger:innen haben also ein Problem ihr Vermögen zu rechtfertigen. Wären sie wirklich so leistungsbewußt wie sie vorgeben, müssten sie wohl mit dem größten Selbstverständnis ihr hohes Vermögen rechtfertigen können.

Bekannt ist schließlich auch, dass seit der Einführung der steuerschonenden Privatstiftungen und Abschaffung der Vermögenssteuer Österreich eine der niedrigsten Vermögensbesteuerungen der Industrieländer aufweist und dies mit der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie der Eingangsbesteuerung in Stiftungen weiter verstärkt wurde. Spätestens die Rolle der Benko-Privatstiftungen beim Zusammenbruch des Signa-Kartenhauses zeigt: Es ist höchste Zeit, mit diesem Missstand und dem Unfug der Privatstiftungen Schluss zu machen, diese ersatzlos aufzulösen und nur wirklich gemeinnützige Stiftungen zuzulassen.