EU-Persilschein für einen Nazifreund

Am 16. Juli 2018 wurde unter dem damaligen Heeresminister Mario Kunasek (FPÖ) Robert Brieger – zuvor Stabschef des Verteidigungsministers – als Nachfolger von Othmar Commenda zum Generalstabschef des Bundesheeres ernannt, am 27. Juli 2018 trat er sein Amt an. Brieger war als eindeutiger Favorit in das Rennen um Commendas Nachfolge gegangen – in der damals agierenden schwarz-blauen Regierung Kurz-Strache nicht verwunderlich.

Mit Brieger wurde ein klar auf NATO-Linie agierender – und der Neutralität auf Kriegsfuß stehender – Militär oberster Armeechef: Auslandserfahrungen bei der deutschen Bundeswehr und am NATO Defense College in Rom galten als Gütesiegel. Führungsfunktionen bei Militärmissionen im Kosovo, Bosnien-Herzegowina und im Tschad als Draufgabe.

Die „explizite FPÖ-Nähe“ von Brieger war bekannt. 2018 fragte der damalige FPÖ-Chef Hans Christian Strache seinen heutigen Nachfolger Herbert Kickl, ob Brieger „eh einer von uns“ sei, was Kickl mit „Selbstverständlich …“ bestätigte. Quasi als Absicherung war Briegers Sohn FPÖ-Gemeinderat in Niederösterreich und seit 2018 parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ.

Im November 2021 sollte Brieger eigentlich seinen Ruhestand antreten – es kam jedoch anders. Am 19. Mai 2021 wurde er – bereits unter der schwarz-grünen Regierung Kurz-Kogler – zum Vorsitzenden des EU-Militärausschusses (EUMC) – und damit zum potenziellen Kommandanten einer Euro-Armee – befördert und am 19. Mai 2021 in Brüssel von den 27 EU-Staaten zum Nachfolger des italienischen Generals Claudio Graziano gewählt (Wikipedia).

Nun empören sich diverse „glühenden Europäer“, weil bekannt wurde, dass Brieger ein Fan des pensionierten steirischen Polizisten Franz Mittermayer (62) ist, der seit 2015 auf Facebook recht systematisch eindeutig neonazistische Inhalte und Holocaust-Leugnung verbreitet. Etwa die ausdrückliche Holocaust-Leugnung: „Adolf Hitler hat keine Juden vergasen lassen, aber Juden haben Nichtjuden massenhaft vergast!“ Unter Mittermayers Facebook-Kontakten finden sich Neonazis aus der NPD und dem „Dritten Weg“ ebenso wie Personen aus der Polizei und dem Bundesheer sowie FPÖ-Politiker und sogar prominente Abgeordnete im Nationalrat und im EU-Parlament.

Als Mittermayer den Verschwörungsmythos über die „Rheinwiesenlager“ aufwärmte, in denen die Alliierten 1945 angeblich hunderttausende deutsche Kriegsgefangene verhungern ließen und nach Schließung der Lager ausgegrabene Leichen deutscher Kriegsgefangener als Juden ausgegeben hätten, um die Zahl der Opfer des Holocaust künstlich in die Höhe zu treiben, bestätigte ihn Brieger mit dem Satz „Es ist vor allem ein verschwiegenes Kapitel in der Geschichte der Sieger“.

Nun ist die Kacke am Dampfen und die Empörung überbordend. Die EU-Kommission will sich um „weitere Klarstellungen“ bemühen (Standard, 24.4.2024). Man fragt sich zu Recht wie ein Militärschädel mit einer derart rechtsextremen Schlagseite ungeprüft in eine solche Führungsposition kommen kann, zumal Brieger jetzt auch massiv wegen seiner EU-kritischen und Russland-freundlichen Aussagen – die ganz allgemein für die „glühenden Europäer“ als das No-Go schlechthin gelten – kritisiert wird.

Hingegen schaut die Landespolizeidirektion Steiermark mit dem Argument, Mittermayer sei nie „negativ aufgefallen“ wieder einmal wie bei rechtsextremen Auslassungen recht gezielt weg. Und keiner der 3.700 Facebook-Freunde Mittermayers kam auf die Idee ihn wegen seiner faschistischen Umtriebe anzuzeigen – obwohl Holocaust-Leugnung ein Offizialdelikt ist.

Das Heeresministerium stellte dem EU-Militärchef quasi Persilschein aus und verkündete Brieger teile die „Ansichten des Herrn M. in keiner Weise“. Ministerin Claudia Tanner meint beschönigend „Ich kenne General Brieger als zuverlässigen und verantwortungsvollen Militär. Er hat die Inhalte bereits strikt abgelehnt und sich davon klar distanziert.“  (Standard, 24.4.2024) Wenn Brieger allerdings ernsthaft glauben machen will, es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass auf Mittermayers Facebook-Seite revisionistische und antisemitische Stellungnahmen und Kommentare geteilt würden gehört er unverzüglich wegen Dummheit in die Wüste geschickt. Von wegen „zuverlässig und verantwortungsvoll“.

Nun will der Grünen-Europaabgeordnete Thomas Waitz per Anfrage wissen, ob Brieger „noch als Vorsitzender des EU-Militärausschusses agieren sollte oder nicht längst ein Sicherheitsrisiko für die EU ist“. Und der Grünen-Nationalratsabgeordnete David Stögmüller fragt, ob das Posting Briegers und „der dadurch entstandene Eindruck der Nähe zu neonazistischem Gedankengut und der Holocaust-Leugnung mit seinem Amt als Vorsitzender des Militärausschusses vereinbar sind“.

Bei soviel Fragen muss man sich allerdings fragen, warum den stets so auf die „liberale Demokratie“ bedachten Anti-FPÖ-Kämpfern bei Briegers Ernennung zum obersten EU-Militärchefs gar nichts aufgefallen ist. Logische Konsequenz wäre die unverzügliche Absetzung des auf Nazispuren wandelnden EU-Militärchefs statt einem Schönwaschen dieser unsäglichen Causa.

Aber bei aller Widerlichkeit von Parteien wie der FPÖ gewinnt man am Fall Brieger einmal mehr den Eindruck, dass Vorkommisse wie im Fall Brieger letztlich mit dem neoliberalen und zunehmend militaristischen Projekt EU kompatibel sind. Etwa so wie die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Italien, der man wegen ihrer Pro-Ukraine-Haltung die Faschisierung ihres Lande wohlwollend nachsieht. Ist doch letztlich der Faschismus – ob historisch oder aktuell – Fleisch vom Fleisch des Kapitalismus. Auch in dessen aktueller Version als Neoliberalismus und der „liberalen Demokratie“.

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