Ein Exil-Linzer mit dem Zeug für einen internationalen Bekanntheitsgrad – wenn auch nicht im positiven Sinne. Das ist Cevdet Caner, der seit Jahren Schlagzeilen macht – und so manches dabei erinnert an die Causa Rene Benko. Denn so wie der Tiroler Mega-Pleitier hat auch Caner in den letzten Jahren keine offizielle Funktion bei der Adler Group – und bestimmte laut Aussagen von Kennern der Materie maßgeblich die Geschäfte.
Der Finanzwelt-Aufdecker Fabio de Masi wirft einen Blick hinter die Kulissen der Luxemburger Adler Group – eines undurchsichtigen Immobiliengeflechts – und sieht durch die Verbindungen mit der Politik eine „Parallele zum Wirecard-Skandal“ (Berliner Zeitung, 8.7.2023).
Erster Akt: CLC
Dabei hatte der 1973 in Sankt Pölten geborene und ab 1983 in Linz ansässige Caner so hoffnungsvoll als Jungpolitiker begonnen: Als zeitweiliger Landesschulsprecher und vor allem in der Sozialistischen Jugend Linz, wo schon so manche (politische) Karriere entstand und Caner zwei Jahre lang deren Bezirksvorsitzender war. Bereits während seines Betriebswirtschaftsstudiums war Caners erstes Geschäft ein Zustelldienst für die Gastronomie.
Daraus wurde 1998 das Call & Logistik Center (CLC) und ab 2000 die erste private Telefonauskunft in Österreich mit Schauspieler Wolfgang Böck als Werbeträger die kurz darauf das seit 15 Jahren bestehende Wiener Call-Center dmb inhalierte. Mit im CLC-Management Board war auch der heutige Linzer SPÖ-Gemeinderat Manfred Schauberger und als Shareholders gleich drei Privatstiftungen (Caner PSt 28,3, BDF PSt 8,65, IEK PSt 8,65 Prozent).
Das Unternehmen schaffte es 2001 mit einem Umsatz von 34 Millionen Euro sogar an die Börse und übernahm die deutlich größere Call-Center Gruppe Camelot mit sechs Standorten in Deutschland mit 1.200 Beschäftigten.
Doch in den folgenden drei Jahren stürzte die CLC-Aktie von fünf Euro auf 26 Cent ab. Ende 2002 verkaufte Caner seine Anteile und verließ das Unternehmen. 2004 meldete die CLC AG – inzwischen im Besitz der Bluebull AG – Insolvenz an und stellte den Betrieb ein. Bevor sich Caner samt Vermögen nach Monaco absetzte, hatte er jedenfalls der Sparkasse und der Bank Austria einen beachtlichen Rucksack an Schulden umgehängt,
Caners gilt als „raffinierter und talentierter Geschäftemacher“, jedoch mit einem „Hand zur Skrupellosigkeit“ (Standard). Nachgesagt wurde ihm ein guter Draht zum Ex-Finanzminister und Industriellen Hannes Androsch (SPÖ). Sein früherer „väterlicher Freund“ Bank-Austria-Boss René Alfons Haiden (ebenfalls SPÖ) distanzierte sich freilich bald wieder von ihm. Der frühere Linzer Bürgermeister Dobusch (auch SPÖ) erinnerte sich aber wohl eher negativ an Caners SJ-Ära als dieser ihm „anbot“ die städtische Wohnungsgesellschaft GWG mit gut 20.000 Wohnungen abzukaufen.
Zweiter Akt: Level One
2004 gründete Caner den Immobiliendienstleister Level One mit Sitz im Steuerparadies Jersey. Bereits im Mai 2005 wurde das Falkenberger Viertel in Berlin–Hohenschönhausen und der Walter-Markov-Ring in Leipzig übernommen Bis zum Jahr 2008 wuchs der Bestand auf rund 28.000 Wohneinheiten im Wert von 1,5 Milliarden Euro.
2006 erzielte Level One 130 Millionen, 2007 80 Millionen gewinn – doch im September 2008 musste der Immobilienkonzern für seine deutschen Objektgesellschaften Insolvenz anmelden, nachdem die Banken im August 2008 unter Zwangsverwaltung gestellt hatten. Level One verfügte zu diesem Zeitpunkt über 150 Gesellschaften in Jersey, London, Linz und Deutschland – über die Caner wohl längst den Überblick verloren hatte – und 20.000 Wohnungen und 500 Gewerbeobjekten vor allem in Berlin und Ostdeutschland. Mit 1,5 Milliarden Euro Schulden gilt Level One als größte Immobilienpleite Deutschlands nachdem bereits 1994 Jürgen Schneider, den Banken Schulden in Höhe von 6 Milliarden DM hinterlassen hatte.
Betroffene Gläubiger waren etwa Credit Suisse, JP Morgan, die Royal Bank of Scotland sowie britische Firmen. Vor allem die renommierte Schweizer Credit Suisse hatte mit mehr als 1,3 Milliarden Euro Caner trotz Fehlen des nötigen Eigenkapitals geholfen sein Immobilienimperium aufzubauen und blieb zuletzt auf 300 Millionen Euro Restschulden sitzen, nachdem das Kreditportfolios verbrieft und an Investoren verkauft war.
Credit Suisse war auch Mezzanine-Kapitalgeber von 130 Millionen Euro sowie Leading Bank des für März 2007 geplanten Börsengangs. Wozu braucht man Eigenkapital? Im neoliberalen und ungehemmten Finanzmarktkapitalismus genügen offensichtlich überzeugendes Auftreten und glaubhafte Projekte und schon steigt die Bank in Erwartung entsprechender Renditen ein. Und Caner überzeugt eben immer wieder. Medial wurde die Pleite als „Das Ende einer Heuschrecke“ gewürdigt (Spiegel, 15.6.2009)
Mit einem „relativ aggressiven Finanzierungs- und Refinanzierungsmodell“ (OÖN) war der Wert der Immobilien mit Steuersitz im Steuerparadies Jersey hochgeschrieben worden – bis die Immobilien-Blase platzte. „Diversifiziert veranlagt“ blickte Caner trotzig immer noch in die Zukunft: „Wohnimmobilien in Deutschland sind billig, die Zinsen sind niedrig. Ein idealer Zeitpunkt, um ein neues Projekt zu starten.“ Und meinte nach dieser Bauchlandung, „die Pleite war unnötig“ und er werde „sicher nicht verarmen“. Heftig dementierte er, dass er seine 20-Millionen-Euro-Villa im noblen London-Mayfair verkaufen musste.
Im November 2018 begann vor dem Landesgericht Wien der Prozess wegen gewerbsmäßigen schweren Betrug, betrügerische Krida und Geldwäsche. Doch Caner und fünf weitere Angeklagte fanden ein geneigtes Gericht und sie wurden im September 2020 freigesprochen. Weil solche Finanzmachinationen offenbar zur „Normalität“ des gewöhnlichen Kapitalismus gehören.
Dritter Akt: Adler
Im Juni 2023 wurden wegen des Verdachts der Falschbilanzierung, der Marktmanipulation und der Untreue nicht nur beim Berliner Tochterunternehmen Adler Real Estate, sondern europaweit bei einer Razzia 21 Objekte von 175 Beamten durchsucht: Geschäftsräume, Wohnungen und eine Rechtsanwaltskanzlei in Berlin, Düsseldorf, Köln und Erftstadt sowie in Österreich, den Niederlanden, Portugal, Monaco, Luxemburg und Großbritannien und Caners Büros in Monaco und London.
Adler ist einer der größten Immobilienkonzernen auf dem deutschen Markt. Hervorgegangen ist der aus den Adler-Werken in Frankfurt am Main, bekanntgeworden mit Fahrrädern und Schreibmaschinen. Laut de Masi wird dem österreichischen Multimillionär Cevdet Caner nachgesagt, die graue Eminenz hinter der Adler-Gruppe zu sein.
Caner soll – ohne ein formales Amt im Konzern – von einer Jacht in Monaco aus die Strippen ziehen. Caner ist CEO der Aggregate Holding, einst größter Aktionär von Adler. Und er gehört ebenso wie seine Frau und sein Schwager und vier weiteren Personen laut Presseberichten zu den Beschuldigten bei den aktuellen Ermittlungen. Bereits 2021 wurde Caner treffend als „Die Spinne im Adlernest“ gewürdigt (Spiegel, 15.10.2021).
Bereits im Oktober 2021 nahm der britische Leerverkäufer Fraser Sperring – der schon frühzeitig vor dem Wirecard-Desaster gewarnt hatte – und sein Analysehaus Viceroy Research den extrem verschachtelten Immobilienkonzern Adler unter die Lupe (Presse 16.11.2022). Sie warfen Cevdet Caner Betrug, Täuschung und finanzielle Falschdarstellung vor – was von Caner und Adler natürlich bestritten wurde.
Doch bereits im April 2022 verwehrte KPMG Luxemburg dem Konzern ein Testat für den Jahresabschluss. In der Folge wurde die Adler-Tochter Real Estate in Berlin von der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) geprüft. Die Bafin entdeckte rasch, dass im Jahresabschluss 2018 ein Immobilienprojekt im Düsseldorfer Glasmacherviertel mit einer Viertelmilliarde viel zu hoch bewertet wurde.
Seither ermitteln die Staatsanwaltschaften in Berlin und Frankfurt. Die im SDAX notierte Adler-Aktie stürzte daraufhin um 20 Prozent ab. Dann fanden die Prüfer auch im Jahresabschluss 2019 gravierende Fehler und stellten fest, dass die Bilanzsumme um 3,9 Mrd. und das Gesamtergebnis um 543 Mio. Euro zu hoch ausgewiesen war.
Der Hintergrund ist die 2019 erfolgte Fusion der Adler Real Estate mit der Luxemburger Ado Properties und der Consus gebildete Adler Group, dem fünftgrößten deutschen Wohnungskonzern mit 70.000 Mietwohnungen im Wert von 8,5 Mrd. Euro. Umstritten dabei war, dass sich die Adler Real Estate zuerst mit 708 Mio. Euro in eine israelische Firmengruppe einkaufte, die sich 33 Prozent an der als besonders werthaltig geltenden Ado Properties sicherte.
Dann kaufte die Tochterfirma Ado die Mutterfirma Adler, was die Aufseher schon 2019 als „nicht ausreichend“ für die Kontrolle der Eigentumsrechte bewerteten. Wozu freilich von Adler erklärt wurde „eine Vollkonsolidierung sei gar nicht zwingend gewesen“. Cevdet Caner kassierte als Berater Millionen von Adler und steht als mutmaßlicher Strippenzieher in die Kritik, was er heftig bestreitet.
Im Juli 2022 wurde Caner CEO und 20-prozentiger Anteilseigner der Aggregate Holding, die früher der größte Aktionär der Adler-Gruppe war. Aggregate-Eigentümer Günther Walcher rechtfertigte dies als „eine Anerkennung für seinen enormen Beitrag in der Vergangenheit“ sowie „Bekenntnis zu unseren Zukunftsplänen“. Die Aggregate Holding hatte beim fehlgeschlagenen Übernahmeversuch der S-Immo durch den Finanzinvestor Ronny Pecik mitgemischt, mittlerweile aber ihre Beteiligung an der S-Immo an die CTI verkauft.
„Adler Group kommt nicht aus den roten Zahlen“ war der Stand der Dinge zu Jahresende 2023 (OÖN, 2.12.2023), nachdem sich der Verlust in den ersten neun Monaten des Vorjahres auf 971 Millionen Euro gegenüber 479 Millionen 2022 verdoppelt hatte und der Wert des Adler-Portfolios um eine satte Milliarde nach unten korrigiert werden musste. Immerhin verfügte der Konzern noch über 25.000 Wohnungen, vor allem auf Berlin konzentriert und hatte endlich einen geneigten Luxemburger Wirtschaftsprüfer für die Jahresabschlüsse für 2022 und 2023 gefunden.
Und die Misere nimmt kein Ende: „Adler ächzt unter Schulden“ (OÖ, 4.5.2024). Demnach hat sich der Verlust von 1,272 Mrd. Euro (2022) auf 1,464 Mrd. Euro (2023) gesteigert. Und mit einem negativen Finanzergebnis von 497 Mio. Euro macht das für das Vorjahr satte 1,8 Milliarden Miese für die Adler Group. Diese verfügt über 26.250 Wohnungen mit einem Bestandswert von rund zehn Milliarden Euro (Tagesschau, 29.8.2023).
Hauptaktionär der Adler Group ist mit 15,88 Prozent der deutsche Immobilienhai Vonovia, dem auch die 2003 unter Schüssel und Grasser aus der Gemeinnützigkeit entlassene und privatisierte BUWOG gehört. Auch wenn Cevdet Caner im Adler-Imperium formell keine Rolle mehr spielt – seine Gattin Gerda Caner hält ein Aktienpaket von 3,87 Prozent. Ein Fuß in der Tür ist wohl immer zu was gut.