Der „Hans im Glück“ von Ehrenfeld

Der zuständige Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) bezeichnete das 2021 beschlossene Raumordnungsgesetz als eines der „schärfsten Gesetze der Republik“. Aber in der Causa Ohlsdorf ist von dieser „Schärfe“ nichts zu merken, vielmehr wäscht Achleitner dabei seine Hände in Unschuld. Dort hat im Ortsteil Ehrenfeld, direkt an der Westautobahn A1 gelegen, der vom Landwirt zum „Schotterkönig“ und in weiterer Folge zum Industriellen aufgestiegene und von 1973 bis 1983 als örtlicher Bürgermeister agierende Hans Asamer von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) und einem örtlichen Gastwirt ein Areal von 18 Hektar günstig erworben.

Asamer, ein „Macher im Regionalformat“ (OÖN, 14.1.2022), beantragte erfolgreich eine Umwidmung auf ein Betriebsbaugebiet, die mit dem Eintrag in den Flächenwidmungsplan am 27. April 2020 abgeschlossen wurde, nachdem der Gemeinderat von Ohlsdorf bereits im Dezember 2018 mit knapper Mehrheit dem umstrittenen Vorhaben zugestimmt hatte. Anschließend wurde das Areal an den belgischen Immobilienkonzern VGP Group Van Geet verhökert. Wie kolportiert wird, soll Asamer bei diesem Deal einen Gewinn von über zehn Millionen Euro gemacht haben (OÖN, 2.2.2022).

Bedenken in den Wind geschlagen

Für das neue Betriebsbaugebiet „Ehrenfeld II“ wurde – auf Betreiben von Asamers Entwicklungs- und Immobilien GmbH sowie der Ehrenfeld Verwertungsgesellschaft – nach einer 2021 erfolgten Rodungsbewilligung um Weihnachten 2021 ruckzuck ein ganzer Wald gerodet (Standard, 25.1.2022). Die Projektbetreiber versuchen damit zu besänftigen, dass – irgendwo anders – zum Ausgleich für die ökologische Verwüstung 26 Hektar aufgeforstet würden, womit das Stift Kremsmünster beauftragt wurde. Freilich werden dafür neuerlich Ackerflächen und Grünland geopfert, statt brachliegende, bereits versiegelte Flächen zu renaturieren.

Bedenken der Sachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Gmunden konnten vom Gemeinderat „nicht nachvollzogen werden“ werden (OÖN, 11.2.2022) und wurden ebenso in den Wind geschlagen, wie das Argument, dass die Gemeinde Ohlsdorf unterbewaldet ist. Auch die „erhöhte Wohlfahrtsfunktion“ des Waldes wurde vom Ortsparlament als „nicht legitim“ abgekanzelt, denn man müssen „die Realität akzeptieren“ womit wohl die Profitinteressen von Asamer und Konsorten gemeint sind.

Denn ein „Hinauszögern“ würde dazu führen, „dass man den Investor dadurch verliert“, liest es sich im Gemeinderatsprotokoll. Und der im Fokus der Ohlsdorfer Machinationen stehende Asamer behauptet, es werde „mit Lügen und Halbwahrheiten um sich geworfen“ und er spricht von einem „politischen Gefasel“ (Standard, 25.1.2022). Sogar die honorigen Bundesforste meinen, der Verkaufsprozess sei „völlig transparent“ vonstattengegangen.

Zwei Seelen in Achleitners Brust

Und das politische Verständnis der ÖVP in dieser Causa offenbart Landesrat Achleitner zur Frage, ob es nicht ein Widerspruch sei, wenn er einerseits als Raumordnungsreferent die Versiegelung verhindern, andererseits als Wirtschaftsreferent Betriebe ansiedeln solle. Er meint „Es ist wichtig, dass beide Ressorts in einer Hand sind, weil es um die Ordnung des Raumes geht, mit unterschiedlichen Anforderungen“ (OÖN, 7.2.2022). Im Klartext haben sich Umwelt, Ökologie und Raumordnung gefälligst den Profitinteressen zu unterwerfen. Sinnigerweise logieren sowohl der ÖVP-Wirtschaftsbund als auch der Wirtschaftslandesrat an derselben Adresse in Linz, Altstadt 17. Und als Totschlagargument legt Achleitner noch eins drauf: „Eine Erweiterung zu verbieten, hieße, die Logistik und damit den Blutkreislauf der Wirtschaft zu stoppen“.

Denn laut Achleitner & Co. würde das Projekt dem „Kriterium des öffentlichen Interesses“ entsprechen und das drei Jahre dauernde Genehmigungsverfahren sei „völlig rechtskonform“ abgelaufen, so der ÖVP-Politiker bei der Beantwortung einer dringlichen Anfrage der Grünen im Landtag am 27. Jänner 2022. Den Vorwurf einer Weisung aus seinem Büro wies Achleitner ebenso entrüstet zurück wie eine „politische Einflussnahme“ (OÖN, 31.12.2021). Da kann der Landesrat wohl von Glück reden, dass die ÖVP in der Landesverwaltung keinen Thomas Schmid sitzen hat, der durch penible Chats die übliche Korruption wider Willen für die Nachwelt dokumentiert.

Auch das Argument von Grünen-Landesrat Kaineder, dass Wirtschaftsinteressen laut Forstgesetz keine Grundlage für einen Rodungsbeschluss darstellen dürften, blockte Achleitner kaltschnäuzig ab. Als Reaktion warf Achleitner den Grünen „zweierlei Unwissenheit über den Abkauf eines Widmungsverfahrens“ vor und behauptete – ebenso wie die bis 2021 amtierende ÖVP-Bürgermeisterin Christine Eisner – Kaineder habe sich bei einem Lokalaugenschein „nicht negativ zur Umwidmung“ geäußert (OÖN, 3.2.2022).

KPÖ-Landessprecher Michael Schmida konstatierte „Waldholzung und Bodenversiegelung in Ohlsdorf hat System“ (LPD 31.12.2021). Das Versagen der Raumordnung sei der „direkte und manchmal auch indirekte Druck und Einfluss mächtiger Wirtschaftsinteressen auf die Politik und Entscheidungsträger*innen“ geschuldet. Und die „Verhaberung mancher Parteien mit der Wirtschaft“ tue das übrige dazu.

Und rein „zufällig“ bleibt das Areal mit 18 Hektar unter der für eine gesetzlich erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlichen Grenze von 20 Hektar. Und auch „zufällig“ konnte die Gemeinde ein Gegengutachten auftreiben, das die Rodung legitimierte. Ebenso „zufällig“ erfolgte der Kahlschlag erst nach der Landtagswahl am 26. September 2021, obwohl die Pläne dafür längst in der Schublade lagen.

Thomas Bernhards Visionen

Der Schriftsteller Thomas Bernhard – im Gegensatz zu Hans Asamer kein Ehrenbürger von Ohlsdorf, obwohl dort jahrzehntelang ansässig – brachte die Misere schon vor Jahren sehr visionär auf den Punkt: „Da, wo ein Wäldchen war, wuchern jetzt die Betongeschwüre“ (OÖN, 28.1.2022). Dafür sorgte die Kumpanei des Landes mit dem Gemeinderat von Ohlsdorf (Mandatsstand nach der Wahl 2015: ÖVP 15, SPÖ 8, FPÖ 7), der dem Projekt seinen Segen gab. Nicht nur der „schwarze“ Achleitner, sondern auch nach schweren Verlusten der ÖVP bei der Wahl 2021 (Mandatsstand: ÖVP 11, SPÖ 8, FPÖ 7, Grüne 5) agierende neue „rote“ Bürgermeisterin Ines Mirlacher verteidigen die Verwüstung der Landschaft und legitimiere ihr Handeln unter anderem damit, dass Asamer als „Wohltäter“ seinen Profit in einen Hoteltrakt und leistbare Wohnungen für Familien investieren würde.

Einmal mehr muss das Totschlagargument neuer Arbeitsplätze für ein in Zeiten der Klimakrise desaströses Projekt herhalten. Gar von 600 ist bei „Ehrenfeld II“ die Rede. Die Grünen thematisierten das im Landtag. Die Rede war sogar davon, dass der US-Konzern Amazon dort einen Standort errichten könnte. Schlussendlich will laut letztem Stand vor allem der deutsche Handelsmulti Rewe – in Österreich durch 1.990 Filialen von Billa, Bipa, Penny, Adeg und Sutterlütty und in nächster Nähe mit einem Logistik-Zentrum an der A1 in Laakirchen präsent und neben Spar, Hofer und Lidl einer der TOP4 der Monopole im österreichischen Lebensmittelhandel – auf dem Areal ein riesiges Lager errichten. Weil solche Depots heutzutage hochautomatisiert reduziert sich die Zahl möglicher Arbeitsplätze allerdings schlagartig auf geschätzte 60.

Durchschnittlich 11,5 Hektar Boden werden aktuell in Österreich pro Tag versiegelt, allein in Oberösterreich sind es 2,2 Hektar täglich. Nach dem Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung sollten es schon seit Jahren nur mehr 2,5 Hektar pro Tag sein (OÖN, 7.2.2022). Die Ökologin Gerlinde Larndorfer-Armbruster (Bodenbündnis Österreich) stellt klar, dass es mühsam ist, durch Bauwerke aller Art versiegelten Boden wieder zu renaturieren. Zum Versiegeln genügt ein Tag, eine Renaturierung dauert um die hundert Jahre.

Zweifelhafte Rolle der Bundesforste

Dass Asamer ein Drittel des Areals von den staatlichen Bundesforsten erwarb, ist auch kein Zufall, sein Unternehmen hat schon langjährige Geschäftsbeziehungen mit den ÖBf. So erwarb Asamer 2010 die ehemalige Forstverwaltung in Gmunden, um sie drei Jahre später an die Raiffeisenbank Salzkammergut zu verkaufen, die dort ihr „Haus Salzkammergut“ eingerichtet hat (OÖN, 17.2.2022). In den Frühzeiten des „Schotterkönigs“ Asamer pachteten seine Unternehmen von den Bundesforsten Flächen für den Schotterabbau. Und 2010 verkauften die ÖBf zwecks Arrondierung ein Grundstück direkt am Traunsee an Juniorchef Kurt Asamer. Eine Hand wäscht eben die andere.

Für die ÖBf, deren Motto wohlklingend lautet „Wo die Natur zuhause ist. Wir pflegen, schützen und bewirtschaften die natürlichen Ressourcen der Republik Österreich – Seen, Wälder, Berge – im Sinne der Nachhaltigkeit (Website http://www.oebf.at), ist der Ohlsdorf-Deal freilich alles andere als ehrend. Sie verkauften ihre sechs Hektar Wald um 65 Euro pro Quadratmeter – was ein vergleichsweise hoher Preis ist, weil Forstgrundstücke üblicherweise um wenige Euro pro Quadratmeter gehandelt werden – wohl, weil die „Weiterverkaufsabsicht bekannt“ war (OÖN12.2.2022).

Allerdings beschränkt sich die Geschäftstätigkeit der ÖBf längst nicht mehr auf Wald und Seen, mittlerweile ist das Immobiliengeschäft der ertragreichste Geschäftszweig. Schließlich besitzen die ÖBf rund 4.000 Immobilien, von Jagdhütten bis zu Schlössern ist dabei alles vertreten.

Jedenfalls soll Asamer das freigemachte Areal um 150 Euro pro Quadratmeter an den belgischen Immo-Konzern verkauft und damit satte Kohle gemacht haben. Dass die ÖBf aus dem Verkaufserlös 18 Wohnungen in Ohlsdorf erworben haben macht den Deal auch nicht besser. Pikant ist in diesem Zusammenhang eine Anfrage der NEOS-Abgeordneten Karin Doppelbauer, ob nicht doch die Bundesforste das Geschäft nicht Asamer überlassen, sondern selbst gemacht hätten, den „man hätte hier für die Republik viel mehr herausholen können“ (OÖN, 12.2.2022). Wenn es also um faule Deals auf Kosten der Umwelt geht, sind auch die Pinken voll mit dabei.

Neoliberalismus macht alles platt

Thomas Bernhard, zwar nicht in Ohlsdorf geboren, aber seit den 1960er Jahren in einem Vierkanthof aus dem 14. Jahrhundert ansässig und wohl berühmtester Sohn dieser Gemeinde, vermerkte in seinem Stück „Heldenplatz“ er gönne sich „von Zeit zu Zeit eine kleine Erregung“. In seinem 1984 erschienenen Buch „Holzfällen“ erregte sich der „Übertreibungskünstler“ vorausblickend „Wald. Hochwald. Holzfällen, das ist es immer gewesen“.

Dass aber auch Bernhard vom neoliberalen Zug der Zeit überholt wurde wird an einem Artikel aus den 1960er Jahren deutlich, wo er meinte „…so ist es doch ein Vergnügen in dem österreichischen Land zu leben, vornehmlich auf dem Land … wohin der Staat in seiner abscheulichsten Form sich nur selten die teuflischen Zungen auszustrecken getraut“ (Presse, 24.12.1965). Nun haben freilich die „teuflischen Zungen“ schon längst auch die ländlichsten Gebiete erreicht, wobei der Staat als Handlanger für die Interessen der großen Konzerne agiert.

Aber sogar der durchaus nicht als Fortschrittsgeist und scharfer Kritiker bekannte Historiker Roland Sandgruber meinte „Abholzen wird immer als Kulturtat verbrämt“ (OÖN, 29.1.2022) und bemerkte süffisant, dass sich der 85jährige ehemalige Schotterbaron Asamer „immer noch als Holzhacker“ betätigt, was für ihn mehr „ein Hobby“ sei. Den Geist der Zeit bringt Sandgruber durchaus treffend auf den Punkt: Brauchte man das Holz einst „für das Salzsieden und Eisenschmelzen“, so schlägert man heute für „Arbeitsplätze, Autostraßen und Fabriken“ und „Eigenheime, Zweitwohnsitze, Skipisten, Stromleitungen, Windräder, Solarzellen“. Um es auf den Punkt zu bringen „Wir sind auf dem Holzweg“, denn hier werde der „Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben“. Ähnlich bringt es die Raumplanungsexpertin Gerlind Weber auf den Punkt: „Das Fazit, frei nach Thomas Bernhard: Mit Holzfällen im Namen der Geldgier für Betongeschwüre befinden wir uns nicht auf der Überholspur, sondern auf dem Holzweg.“ (OÖN, 14.1.2022).

Asamers Netzwerke

Nicht verwunderlich scheint Asamer auch als Spender für die ÖVP auf. Zwar beteuert LH Stelzer hoch und heilig, dass in seinem Verantwortungszeitraum keine Kohle an die schwarze Partei geflossen ist. Aktenkundig ist freilich, dass Asamer 2006 die ÖVP in fünf vierteljährlichen Tranchen insgesamt 500.000 Euro gesponsert hat (News 2006). Hatte es zunächst geheißen, das Geld wäre für die Bundespräsidentenwahl meinte Asamer dann recht lapidar „Ja, dann war das für was anderes, Ich kann mich daran nicht mehr erinnern. Gegenleistung hat es auf jeden Fall keine gegeben“. Und „Alle, die darüber schreiben, sind Schmutzfinken, die mich anpatzen wollen“ (OÖN, 14.1.2022).

Nach dem Motto „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ hatte sich der 1936 geborene Hans Asamer vom kleinen Landwirt zum milliardenschweren Konzernbesitzer hochgearbeitet. 1959 stieg der Landwirt als Transportunternehmer beim Autobahnbau Salzburg-Linz in die Wirtschaft ein. Sein Weg führte mit dem Bauboom der 1960er und 1970er Jahre und als treuer Parteigänger der ÖVP ständig nach oben. Maßgeblich dafür war stets eine Mischung aus angeborener Bauernschläue, einem Riecher fürs große Geld, der Weitblick für kommende profitable Geschäfte, ein genügendes Maß an Ellbogenmanier bei der Durchsetzung dieser Ziele, einer guten Nase für den rechtzeitigen Ausstieg aus riskanten Geschäften und vor allem die richtigen Beziehungen.

Über Jahrzehnte hinweg war allerdings Asamers Aufstieg auch von Skandalen aller Art geprägt. Vor allem machte er mit illegaler Abfallentsorgung, Altreifendeponien, Grundwasserverseuchung und anderen Formen von Umweltbelastung Schlagzeilen. Auch schreckte er vor antisemitischen Ausritten nicht zurück, etwa als er die Forderung nach Entschädigung für in der NS-Zeit eingesetzten Zwangsarbeiter mit dem Sager „Die Juden treiben´s noch so weit, bis sie wieder eine auf den Deckel kriegen“ (LPD, 11.7.2000).

Am Höhepunkt von Asamers Erfolgsstory stand die international agierende Asamer Holding, nach deren Scheitern 2014 allerdings nur drei von seinen Söhnen geführte Nachfolgegesellschaften geblieben sind: Die von Kurt Asamer geführte Asamer Baustoffe AG Gruppe (ABAG) mit 22 Gesellschaften und 800 Beschäftigten in den Geschäftsfeldern Stein, Kies, Beton, Zement und Recycling. Die von Manfred Asamer geführte Manfred Asamer Beteiligungs- und Management GmbH. Und die von Andreas Asamer geführte ALAS Baustoff Holding.

Nachdem der mittlerweile 86jährige Hans Asamer seine Geschäfte längst an seine Söhne abgegeben hat, wollte er es als „Hans im Glück“ von Ehrenfeld wohl noch einmal wissen und zog den Deal um das Areal in Ehrenfeld durch. Seine in Jahrzehnten entwickelten Seilschaften, neumodisch Netzwerke genannt, dürften ihm dabei zum Erfolg verholfen haben. Den Schaden hat bei solchen Deals bekanntlich ohnehin immer die Allgemeinheit. Alles in allem ist die Causa Ehrenfeld ein bezeichnendes Lehrstück dafür wie die Sonntagsreden über eine zukunftsorientiere Raumordnung durch die Kumpanei von Kapital und Politik dem schnöden Mammon geopfert wird.