
Für einen Juristen praktiziert der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) eine ziemlich kühne Rechtsauslegung, wenn er meint, die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung (WBF) „steht aus unserer Sicht dem Förderalismusgedanken entgegen“ (OÖN, 19.3.2023). Denn wenn eine Abgabe explizit als Wohnbauförderung bezeichnet ist, dann hat sie gefälligst auch diesem Zweck zu dienen, also der Wohnbauförderung und nicht als „Kleingeld“ zum Stopfen von Budgetlöchern etc.
Fakt ist, dass alle Unselbständigen ein Prozent ihres Bruttoeinkommens als Wohnbauförderung zu leisten haben. Und zwar jeweils ein halbes Prozent als Dienstnehmer*innenbeitrag und ein halbes Prozent als Dienstgeber*innenbeitrag als sogenannte „Lohnnebenkosten“, de facto also als Lohnbestandteile die für die Funktionsweise des Sozialstaates zu verwenden sind. Im Jahre 2021 wurden auf diese Weise bundesweit immerhin 1,23 Milliarden Euro eingehoben, davon 220 Millionen Euro in Oberösterreich, der zweithöchste Anteil nach Wien.
Nun ist Stelzer allerdings nicht allein in punkto freimütiger Auslegung gesetzlicher Bestimmungen. Bereits in den 1980er Jahren erfolgte eine Verländerung der Wohnbauförderung. 2001 wurde von der damaligen schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) die Zweckwidmung aufgeweicht – um sie 2008 von der rot-schwarzen Regierung unter Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) gänzlich abzuschaffen. Das gelegentlich aufkommende Klagen über die Zweckentfremdung der Wohnbauförderung seitens der SPÖ muss demnach als Akt einer unfreiwilligen Selbstkritik interpretiert werden. Bereits 2013 bezeichnete Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch im Zuge einer bundesweiten Tour mit dem Strategiepapier „Wohnen 2020“ die Verländerung und Abschaffung der Zweckbindung als „ein Fehler, den es nun zu korrigieren gelte“ (Standard, 25.1.2013).
In der Folge konnten die Bundesländer die ihnen zufließenden Milliarden aus der Wohnbauförderung nach Belieben verwendet werden, für das System der Wohnbauförderung – das mit einer zweiten Komponente aus Rückzahlungen vom Land gewährter Wohnbaudarlehen finanziert wird – waren die WBF-Mittel allerdings nicht mehr zwingend.
Nun hat der amtierende Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seiner durchwegs rückwärts gewandten Rede „zur Zukunft der Nation“ als einen der wenigen Lichtblicke die Wiedereinführung der Zweckbindung genannt. Aus Gründen der „fiskalpolitischen Hygiene“ plädiert Wolfgang Amann, Leiter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen in Wien, für die Wiedereinführung der Zweckbindung und meint, diese Gelder vorwiegend für Klimaschutz und Dekarbonisierung von Wohnbauten zu verwenden.
Das Bundeskanzleramt will die Kanzler-Ansage in die jetzt begonnenen Verhandlungen um den neuen Finanzausgleich – der die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu regeln hat – einbringen. Und hier hakt LH Stelzer ganz im föderalistischen Überschwang ein. Sein Credo ist nämlich „den Ländern mehr Budgetautonomie zuzugestehen“ und somit sieht er mit einer Zweckbindung der WBF-Mittel eben den Föderalismusgedanken in seiner überbordenden Auslegung der amtierenden Landesfürsten gefährdet.
Stelzer und seinem Kompagnon LHStv. Manfred Haimbuchner (FPÖ) schwebt nun vor, die Mittel aus der Wohnbauförderung voll und ganz für die Häuslbauerei zu kanalisieren, weil es „für viele Landsleute fast unmöglich geworden sei, ein Eigenheim zu realisieren“. Ganz so, als es ein Menschenrecht auf ein Eigenheim – maßgeblich finanziert aus Steuergeld – gäbe. Und Stelzer argumentiert dazu, dass in Oberösterreich 2023 in Summe mit 313,7 Mio. Euro ohnehin mehr Mittel für Wohnbau ausgegeben würden als die voraussichtlichen Einnahmen aus dem WBF-Beitrag mit 232 Mio. Euro.
Den Zynismus der vorrangig auf die Förderung von Eigentum ausgerichteten Wohnbauförderung des Landes macht Haimbuchner mit der Aussage deutlich, „die Bundesregierung sollte sich eher um die echten Probleme wie die Bekämpfung der Inflation und die Steigerung der Miet- und Energiekosten kümmern“. Ganz so, als ob die Debatte um die Verwendung der Wohnbauförderungsmittel damit gar nichts zu tun hätte.
Leistbares Wohnen kann allerdings nur dann gesichert werden, wenn die Mittel der Wohnbauförderung auf die Errichtung bzw. Sanierung im sozialen Wohnbau durch Gemeinden und gemeinnützigen Bauvereinigungen konzentriert werden. Die Schieflastigkeit der jetzigen Förderungspolitik wird aber bereits daran deutlich, dass etwa 2022 in Oberösterreich den 1.559 geförderten Mietwohnungen 1.744 Förderungen für Eigentum (1.136 Eigenheime, 608 Eigentumswohnungen) gegenüberstanden (OÖN, 28.2.2023).
Wer unbedingt Wohnungseigentum erwerben will, kann das nach eigenem Ermessen und Vorhandensein entsprechender finanzieller Mittel tun. Aber es darf nicht Aufgabe der öffentlichen Hand sein, zig Millionen an Steuergeld zweckentfremdet für die Schaffung privaten Eigentums zu verwenden. Der Sager des ehemaligen oberösterreichischen SPÖ-Wohnbaulandesrates Leo Habringer in den 1970er Jahren „Wer Eigentum will, muss sich das mit eigenen Mitteln schaffen, nicht aber mit Steuergeldern“ hat seine Berechtigung auch heute nicht verloren.