Immer Tempo

Der „Leuchtturm“ führte seine Erfinder in eine Sackgasse. Dabei haben sich die Industrie als Initiator und der oö LH Thomas Stelzer (ÖVP) als willfähriger Umsetzer das Projekt als „g´mahde Wiesn“ vorgestellt. Die Rede ist vom Projekt Digital-Uni in Linz, die offiziell als Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) firmiert und als Paradeprojekt für den „Standort Oberösterreich“ und den neoliberalen Digitalisierungswahn gilt.

Das Projekt entstand im Sommer 2020, angeblich als türkise „Morgengabe“ des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz für Oberösterreich im Wahljahr 2021. Der Plan sah vor, dass bereits mit dem Herbstsemester 2023 die ersten Doktoratsstudien aufgenommen werden. Ein Ehrgeiz, vor dem etwa der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) warnte.

Luger forderte nach der Absage eines Hearings für die Besetzung der Führungsposition im Jänner 2023 ein Aussetzen des „irrationalen Zeitplans“ – der zudem „inhaltlich nicht ausgereift“ sei und nur aus „Überschriften und Platzhaltern“ bestehe (OÖN, 7.3.2023). Doch LH Stelzer und Minister Martin Polaschek (ÖVP) beharrten auf dem straffen Zeitplan, sie forderten den Uni-Betrieb schnellstmöglich aufzunehmen „damit niemand daran ruckeln kann“.

Nun aber kam im zweiten Anlauf des Hearings im März noch mehr Sand ins Getriebe, weil nicht – wie von VÖI und LH vorgesehen – der frühere Rektor der Johannes-Kepler-Universität, Meinhard Lukas, sondern mit vier gegen zwei Stimmen die Informatikprofessorin der TU Graz, Stefanie Lindstaedt, zur Gründungsrektorin des ISDA gewählt wurde. Erste Gratulationen von LH Stelzer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) dürften freilich nur formal, der geäußerte Respekt vor der Entscheidung des Kollegiums nicht wirklich ernst gewesen sein.

So meinte VÖI-Landespräsident Stefan Pierer – bekannt als ÖVP-Financier – umgehend nach der Entscheidung „Ein befangenes Gremium hat nicht die beste Entscheidung getroffen“. Na klar, wer gegen die Wünsche der Industrie stimmt, muss befangen sein. Und die „OÖ Nachrichten“ orteten ein „Netzwerk der TU Graz“, das sich durchgesetzt habe – um spitz die „fehlende Netzwerkfähigkeit Oberösterreichs uns seiner Landespolitik“ anzumerken.

Aber wahrscheinlich hat sich LH Stelzer nicht klar genug ausgedrückt, wie aus einer Aussage der Unternehmerin Christina Rami-Mark, Vorsitzende des Gründungskonvents zu schließen ist: „Der Landeshauptmann hat mich und den Gründungskonvent stets darin bestärkt, uns für den bestgeeigneten Kandidaten oder die bestgeeignete Kandidatin zu entscheiden.“ (Standard, 11.3.2023)

Nun hatte es auch LH Stelzer nicht mehr mit Freundlichkeiten und Respekt und erklärte ganz unverblümt „Ich bin sauer“ (OÖN, 9.3.2023). Er warf dem Konvent „Unprofessionalität“ vor – um willfährig unterstützt von Minister Polaschek – neuerlich auf seinem Zeitplan „wie man sich vorstellt, dass die Gründung vonstattengehen kann“ zu beharren. Denn es solle allen bewusst sein, dass „Digitalisierung eigentlich auch immer Tempo heißt“. Ganz nach dem Qualtinger-Motto „Ich weiß zwar nicht, woich hinfahre, aber dafür bin ich schneller dort.“

Schon im Jänner 2023 zog sich Gerald Bast, Rektor der Universität für Angewandte Kunst in Wien entnervt aus dem Gründungskonvent zurück und meinte „Es war ein Punkt erreicht, an dem mit keinen sachlichen und inhaltlichen Entscheidungen mehr gerechnet werden kann“ (OÖN, 9.3.2023). So richtig die Sau herausgelassen hat nach dem Hearing der Industrielle Helmut Fallmann, Chef der Linzer IT-Firma Fabasoft und Mitglied des Gründungskonvents, mit Vorwürfen von Wahlbeeinflussung und Befangenheit in einer 13-seitigen Aufsichtsbeschwerde beim Ministerium die nach dem Willen von LH Stelzer im Eilzugstempo behandelt werden soll.

Dazu meinte Keya Baier vom ÖH-Vorsitzteam „Es muss verhindert werden, dass es rund um die Gründung des IDSA in Linz zu gravierender Einflussnahme seitens Politik oder Wirtschaft kommt, da so ein Präzedenzfall zu Stande käme, der auch zu ähnlichen Fällen in der Zukunft führen könnte. Die Autonomie der Hochschulen steht nicht zur Debatte” (OTS0084, 9.3.2023).

Das „Leuchtturmprojekt“ ISDA war allerdings von Anfang an ziemlich verkorkst. Schon zu Jahresbeginn 2022 hatte der Linzer KPÖ-Gemeinderat Michael Schmida das Projekt als „Gipfel der Zurichtung auf Wirtschaftsinteressen und Pervertierung der Idee einer Universität“ kritisiert (LPD 3.2.2022). Denn für diese „Universität neuen Typs“ ist eine eigene Organisationsstruktur außerhalb des Universitätsgesetzes vorgesehen, sie soll als GmbH geführt werden, demokratische Gremien wie Senat oder andere Kollegialorgane sind nicht vorgesehen. Mit 29 negativen Stellungnahmen war die Kritik an der Gesetzesvorlage für das ISDA ziemlich vernichtend (OE24, 19.5.2022). Zumal auch klar ist, dass die Finanzierung auf Kosten der schon bestehenden Universitäten erfolgen soll.

Was freilich die Betreiber kaltschnäuzig abschmetterten. So meinte etwa VÖI-Landesgeschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch „Notwendig ist ein Schulterschluss für das Jahrhundertprojekt statt Grabenkämpfe“ (Standard, 19.5.2022). Minister Polaschek bezeichnete den Vorwurf der Nähe zur Industrie als „Killerargument“ (OÖN, 19.5.2022). Und Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl orakelte: „Wir drohen das mit der Digital-Uni zu vergeigen“ (OÖN, 22.12.2021). Aber wahrscheinlich muss die Digital-Uni „als Fußabstreifer für die Verfolgung persönlicher und politischer Interessen herhalten“ (Kurier OÖ, 12.3.2023).

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