Ab in die Anstalt

Bereits 4,8 Milliarden Euro hat die Misere um die Hypo Alpe Adria verschlungen, gut 13 Milliarden gelten als uneinbringlich, weitere sechs Milliarden Euro könnten zusätzlich anfallen. Nach der Weigerung der Banken sich für das Hypo-Desaster in die Pflicht nehmen zu lassen orientiert die Bundesregierung auf eine sogenannte Anstaltslösung. Anstalt klingt gut, ist das doch eine Einrichtung, in welche bestimmte Leute eingewiesen werden können. Und da gibt es angesichts des ausufernden Debakels um die Hypo jede Mange von Anwärter_innen.

Den Hauptanwärter, einem gewissen Jörg Haider, seines Zeichens Landeshauptmann von Kärnten, kann die Ehre freilich nur mehr posthum zuteilwerden, hat er sich doch der irdischen Verantwortung durch Raserei im Oktober 2008 entzogen und ist, weil der Sonne zu nahe gekommen, Ikarus gleich mit seinem VW-Phaeton abgestürzt. Woraufhin laut Haiders Nachfolger Gerhard Dörfler „die Sonne vom Himmel gefallen“ ist. Und wie es scheint ist sie, zumindest was die Causa Hypo betrifft, bis dato auch nicht wieder aufgegangen.

Anwärter für die Anstalt wären dann der ganze Klüngel um die Kärntner FPÖ, die zwischendurch auch als BZÖ und FPK firmierte, bis sie wieder definitiv in den Schoß der von strammen Burschen geführten Bundes-FPÖ zurückkehrte. Die Herrschaften Dörfler (der zur Verstaatlichung der Hypo meinte „Uns ist Historisches gelungen“), Scheuch & Scheuch, Dobernig und wie sie auch alle noch heißen mögen waren die Wasserträger und Jubelperser von Jörg Haider und damit voll mitverantwortlich für die Misere. Und sage keiner von denen, er habe gar nichts gewusst.

Ebenfalls in die Anstalt gehört allerdings auch FPÖ-Chef Strache, nämlich allein schon für den kühnen Versuch seine Partei von jeglicher Schuld für das Desaster reinzuwaschen und durch Lautstärke in Richtung der Regierungsparteien möglicherweise davon sogar noch politisch zu profitieren. Strache kann nur laut und deutlich gesagt werden, er möge doch das Maul halten. Wer politisch für ein solches Desaster anrichtet möge bitte auf ewig in Urlaub gehen und möglichst nie wieder von dort zurückkommen.

Ganz im populistischen „Wir sind wir“-Fahrwasser seines Vorgängers Dörfler schwimmt freilich auch der aktuelle Kärntner LH Peter Kaiser (SPÖ), der jammert welche Opfer das Land nicht schon gebracht hätte und meint eine Insolvenz käme für ihn nicht in Frage. Kaiser weigert sich auch beharrlich, die von Haider in einem „Zukunftsfonds“ geparkten 500 Millionen Euro aus dem Erlös des 2007 erfolgten Hypo-Verkaufs an die Bayern-LB für die Sanierung herauszurücken und findet es auch als selbstverständlich, dass das Land Kärnten nach wie vor 65 Millionen Euro an Haftungsprämien für die Hypo-Anleihen kassiert. Kaiser himself und seine politischen Vorgänger haben aber die zeitweise bis 25, aktuell immer noch 13 Milliarden Euro betragenden Haftungen des Landes für die Hypo ebenso mitbeschlossen wie die ÖVP.

Was für rot gilt, muss natürlich auch für schwarz gelten. Die Führungsgarnitur der ÖVP unter ihrem damaligen Chef Josef Martinz hat ebenso Zuträger für Haider gespielt. Martinz hatte sogar den Deal eingefädelt, dass ein ihm bekannter Steuerberater namens Birnbacher ein laut Gutachter gerade 240.000 Euro wertes Hypo-Gutachten um sagenhafte zwölf Millionen erstellte und dann gnädigerweise durch „Landesrabatt“ auf die Hälfte reduzierte. Also ab in die Anstalt!

Damit kommt man auf die höhere politische Ebene, wo ein gewisser Josef Pröll, im Dezember 2009 Finanzminister und Vizekanzler der ÖVP, in einer Nacht- und Nebelaktion die bankrotte Hypo statt in die wohlverdiente Insolvenz zu schicken notverstaatlichte. Obwohl etwa die Chefin der Eurozonen-Bankaufsicht Daniele Nouy dafür plädiert „angeschlagene Geldinstitute rasch vom Markt zu nehmen, statt auf faule Kompromisse auf nationaler Ebene zu setzen“. Kein Zufall also, dass Pröll nach seinem Abgang mit einem hochdotierten Job bei der Raiffeisen-Tochter Agrana belohnt wurde. War sein Job doch, das Raiffeisen-Imperium vor Schaden zu bewahren und sind doch die Raiffeisen-Landesbanken OÖ und Steiermark Miteigentümer der jeweiligen Landes-Hypos („Teure Spielwiesen der Landesfürsten“, Hannes Androsch), die wiederum im Haftungsverbund mit der Hypo Kärnten stehen und mit 1,2 Milliarden Euro herangezogen werden müssten.

Prölls Nachfolgerin Maria Fekter zeichnete sich wiederum zunächst durch unverständlichen Optimismus über einen Verkauf der notverstaatlichten Hypo („Die Bank ist auf einem guten Sanierungsweg“) und später durch Fatalismus (“Ein Fass ohne Boden“), durchgehend aber durch Untätigkeit und, wie medial süffisant kritisiert wird, eine „Hofratsmentalität“ aus, sodass ihr Nachfolger Spindelegger, statt wie angekündigt die Wirtschaft zu entfesseln, von der Hypo-Misere Gulliver gleichend am Boden der Tatsachen gefesselt wird. Einen treuen Vasallen hat Spindelegger in seinem Staatssekretär Gernot Blümel, der treuherzig meint es sei „in unserer DNA drin, dass wir Verantwortung übernehmen“ weil die ÖVP auf „Basis unserer christlichen Werte Politik“ macht. Selten so gelacht. Aber Spindelegger hat in Kanzler Faymann einen willigen Kompagnon, der seinerseits den Karren, garniert mit salbungsvollen Worten, ebenso in den Graben fahren ließ.

So kommt man schließlich zur vielgerühmten Aufsicht, die in diesem Fall geradezu glorios versagt hat. Sowohl der frühere Nationalbank-Boss Klaus Liebscher als auch sein Nachfolger Ewald Nowotny attestierten der Bank stets beste Werte. Nowotnys jüngste Attacken auf Ex-Finanzministerin Fekter dürften daher wohl als Ablenkungsmanöver dienen. Noch 2008 wurde der Hypo Kärnten das Attest „not distressed“ ausgestellt, ein Jahr später war der Scherbenhaufen da. Und auch die Finanzmarktaufsicht hatte offenbar immer gezielt weggeschaut und nichts bemerkt, obwohl auch Laien der von Jörg Haider ab 1994 eingeleitete Expansionskurs der Provinzbank am Balkan und anderswo zunehmend unruhig werden ließ.

Aber die österreichischen Prüfer können sich natürlich damit trösten, dass auch die Ratingagentur Moodys noch 2005/2006 der Hypo das Rating „Double A“ verliehen hatte. Womit einmal mehr deutlich wird, dass solche Agenturen zum Krenreiben sind, wenn ernsthafte Bewertungen gefragt sind. Ihr einziger Zweck dürfte es sein, durch Auf- oder Abwertungen von Banken, Staaten oder Währungen politisch Druck im Interesse der wirklich Mächtigen zu machen und der eigenen Klientel des Finanzmarktes zu entsprechenden Renditen zu verhelfen.

Dann gibt es noch das Management der Hypo, das wohl ebenso überbezahlt wie überfordert gewesen sein dürfte. Ein gewisser Tilo Berlin setzte sich rechtzeitig ab, um mit einer Gruppe von Investoren aus dem Kärntner und steirischen Geldadel den Verkaufspreis an die BayernLB hochzutreiben und gut 150 Millionen Euro Kursgewinn und 2008 eine Sonderdividende von 50 Mio. Euro abzucashen. Seinen Nachfolger Wolfgang Kulterer hat´s hingegen erwischt und er wurde verurteilt, für die Anstalt fällt er also aus. Aber auch dessen Nachfolger Franz Pinkl agierte der Ernsthaftigkeit der Lage völlig unangemessen.

Dass auch am Balkan nicht alles möglich und dieser manchmal Österreich auch in Sachen Korruptionsbewältigung durchaus voraus ist, zeigt der Fall Ivo Sanader. Der kroatische Ex-Premier fädelte 1994 erste Kredite mit der Hypo ein und kassierte 480.000 Euro Provision. 2012 wurde er zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe der Provision verurteilt. Anstaltsmäßig ist er somit bereits hinreichend versorgt.

Nicht aus dem Auge verlieren sollte man auch die Grazer Wechselseitige Versicherung (Grawe) die vor dem Verkauf an die BayernLB (BayernLB 67,08 Prozent, Grawe 20,48 Prozent, Kärntner Landesholding 12,42 Prozent, Mitarbeiter-Privatstiftung 0,02 Prozent) Miteigentümer war und beim Verkauf 2007 ebenfalls kräftig abkassierte. Denn dass beim Kaufpreis nicht nur in Hinblick auf die BayernLB mit allen Mitteln getrickst wurde ist hinreichend bekannt.

Die BayernLB erwischte es hingegen recht geschickt. Sie ließ sich zwar 2007 die Hypo zu einem überhöhten Preis andrehen, doch gelang es ihr ebenso zwei Jahre später das bankrotte Unternehmen dem Staate Österreich mit allen lasten, aber faktisch ohne Pflichten zurückzugeben. Pröll sei Dank, sagte man wohl in München.

Schlussendlich bleibt noch eine größere Gruppe von Anwärter_innen für die Anstalt, nämlich alle jene Wähler_innen von FPÖ, aber auch ÖVP und SPÖ, die den Verlockungen und Schmähs des Jörg Haider auf den Leim gegangen uns diese für bare Münze genommen haben. So einfach wie es sich der aktuelle LH Kaiser macht, der treuherzig meint „es gibt keine Kärntner Kollektivschuld“, kann man es sich wohl nicht machen. Man kann nicht in Sonntagsreden großspurig von einem „mündigen Wahlvolk“ reden, wenn’s ernst wird, dieses aber zu faktisch unmündigen Idioten erklären. Wer Haiders Größenwahn und Prestigeprojekte, Wähler_innenbestechung wie „Hunderter bar aufs Handerl“ oder Prämien für Kärntner Trachtenanzüge und die solches unterstützenden Parteien gewählt hat und die Kärntner Wunder geglaubt hat, der kann wohl auch dafür zur Verantwortung gezogen werden. Höchste Zeit für Schluss mit lustig.

Es spricht für die Funktion der Regierung, dass sie durch ihre Untätigkeit das Hypo-Desaster massiv vergrößert und sich dadurch einmal mehr als Agentur von Banken und Finanzwelt erwiesen hat. Forderungen nach Untersuchungsausschüssen und politische Schuldzuweisungen sind ja nett, aber wenn nicht die Banken endlich an die politische Kandare genommen und die Götter der Finanzwelt entzaubert werden ändert sich an der Misere so gut wie gar nichts. Es ist höchste Zeit endlich ans Eingemachte zu gehen.

Ein namentlich lieber anonym bleibender Wiener Spitzenbanker meinte im Februar 2014 lapidar „Man braucht keine Angst vor einer Hypo-Insolvenz zu haben. Die Ansteckungsgefahr ist nicht gegeben.“ Denn eine Insolvenz ist offenbar das einzige was alle Beteiligten, insbesondere die Banken, die früheren Eigentümer der Hypo und jene Hedge- und sonstigen Fonds die mit Hypo-Anleihen den goldenen Schnitt machen wollen wirklich fürchten, weil sie um ihre im Bewusstsein eines hohen Risikos gemachten hohen Renditen umfallen. Geht es hingegen nach der Regierung als willfähriger Vollzugsausschuss des Finanzkapitals, dann sollen wieder einmal die ehrlichen Steuerzahler_innen blechen. Der Skandalfall Hypo Alpe Adria beweist einmal mehr in aller Klarheit, dass an der Vergesellschaftung der Banken kein Weg vorbeiführt und es Zeit ist, dass die Politik über die Banken bestimmt und nicht umgekehrt.