Über Drohnenkunst und Drohnenkill

Mit „100 AEC-Drohnen über Linz“ künden die OÖN (17.8.2016) ein „dreidimensionales Kunstwerk“ als „Verschmelzung von Technologie und Kunst“ am 10. September 2016 im Rahmen der diesjährigen Ars Electronica in Linz an. Das Futurelab des Linzer Ars Electronica Center (AEC) will damit einen „neuen künstlerischen Raum“ mit „Drohnen-Kunst statt Krieg und Überwachung“ eröffnen.

Besänftigend meint AEC-Futurelab-Chef Horst Hörtner „Wir sind absichtlich bei diesem bedrohlichen Wort Drohne geblieben, um dieses Feld nicht dem Militär und der Industrie zu überlassen“. Das Besondere dabei soll auch sein, dass die AEC-Drohnen nicht manuell, sondern vom Computer gesteuert werden. Na, da bleibt zu hoffen, dass nicht das passiert, was kürzlich beim ersten Unfall eines selbstfahrenden Autos samt Todesopfer in den USA der Fall war.

Aber das künstlerische Spektakel wird wohl wie geplant über die Bühne oder richtig gesagt über Jahrmarktgelände, Donau und Donaupark gehen. Angesichts der höchst euphorischen Äußerungen Hörtners über die Möglichkeiten und Innovationen der Drohnen-Technologie mit Anleihen in der Natur – wie etwa dem Schwarmverhalten von Vögeln – bleibt freilich ein ziemlich fahler Beigeschmack. Man denke nur, was bei einem keineswegs friedlichen Einsatz von Drohnen etwa durch Militär oder für Überwachung möglich ist, wenn die hier genannten Möglichkeiten ausgereizt werden.

Ich kann mich nämlich noch gut erinnern, wie bei einer Führung im Rahmen eines Israels-Urlaubes vor einem Vierteljahrhundert ein als Reiseführer agierender Feldschullehrer höchst euphorisch berichtete, wie die Wissenschaftler_innen seines Landes durch intensives Studium der Tierwelt – etwa den Fangtechniken von Falken oder Adlern – völlig neue Möglichkeiten für die Luftwaffe entwickelt hatten.

Was hat das alles mit dem als Parade-Kultureinrichtung der Landeshauptstadt Linz bekannten AEC zu tun? Mit Drohnen „wird in erster Linie Überwachung, Waffengewalt und Polizeistaat assoziiert“ stellt Hörtner richtig fest. Dazu ist freilich anzumerken, dass im Sommer 2013 der damalige Heeresminister Gerald Klug (SPÖ) das Linzer AEC besuchte und dort betonte, dass das Bundesheer zehn Millionen Euro in Technologie und Forschung investiert. Als Schwerpunkte nannte er dabei „ABC-Abwehr-Fähigkeiten, Cyber Security und Cyber Defence, Pionierfähigkeiten vor allem für die Katastrophenhilfe und Robotics, also (semi)autonome Systeme“.

Die Hinweise der AEC-Geschäftsführer Schwarzmair und Stocker auf Entwicklungen des AEC wie etwa Quadrocopter – das sind „Flugobjekte“ die über Computer und Satelliten gesteuert und in allen Kontinenten im Einsatz sind und einen viel beachteten internationalen Auftritt in London verzeichneten – bestätigen jedoch den militärischen Aspekt solcher Kooperationen. Laut Klug arbeitet das Bundesheer dabei auch mit dem Austrian Institute for Technology (AIT), dem Joanneum Research (JR) sowie mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen, darunter auch dem AEC, zusammen.

Als KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn diesen Besuch mit einer Anfrage im November 2013 thematisierte, betonte Kulturreferent VBgm. Bernhard Baier (ÖVP) in der schriftlichen Beantwortung verdächtig demonstrativ, dass es laut AEC-Geschäftsführung „keine militärischen Forschungen, Entwicklungen bzw. Kooperationen seitens Ars Electronica, weder nationaler noch internationaler Natur“ gibt. Fragt sich nur warum dann nicht etwa der Wissenschafts- oder der Kulturminister, sondern ausgerechnet der Heeresminister das AEC besuchte und welche Kooperationen hinter den Kulissen des Vorzeigeprojekts AEC wirklich laufen.

Bekanntlich will beim globalen Drohnen-Boom auch das österreichische Bundesheer nicht zurückstecken und plant bis 2018 Drohnen um 16 Millionen Euro zu kaufen. Allen Beteuerungen zum Trotz, dass diese Fluggeräte nur für Grenzüberwachung, bei Naturkatastrophen oder Rettungseinsätzen verwendet werden sollen, ist ein militärischer Einsatz nicht auszuschließen. So spricht Reinhard Zmug von der Luftzeugabteilung ganz offen von der „Überwachung von Räumen, aber auch zur Bewachung von Demonstrationen von oben“.

Der globale Aspekt der Drohnen-Manie schaut so aus: Wöchentlich lässt sich US-Präsident Barack Obama von Militär und Geheimdiensten Listen mit „Terroristen“ in Pakistan, Somalia, Jemen und anderswo vorlegen. Der „Friedensnobelpreisträger“ unterzeichnet die Todesurteile. Vollstreckt werden sie dann mit von den USA aus ferngesteuerten Drohnen. Bei aller technischen Perfektion funktioniert das freilich nicht immer punktgenau. Da kann es schon passieren, dass in Somalia ein 16-jähriger US-Staatsbürger und in Pakistan eine 68-jährige Oma im Gemüsegarten gekillt werden. Kollateralschaden heißt das im Militärjargon.

Gekillt wird möglicherweise auch mit Know-how „Made in Austria“. Größter österreichischer Drohnenhersteller ist die Firma Schiebel in Wien. Der kanadische Konzern BRP liefert aus dem Rotax-Werk Gunskirchen Motoren für Drohnen in die USA, nach Frankreich und Israel. Laut Solidarwerkstatt entwickelt im Linzer Hafen die Firma Aerospy eine Sense and Avoid Technik, wodurch Drohnen Objekte erkennen und diesen ausweichen können. Ein weiterer Partner im Netzwerk des Todes ist IAT 21 aus Traun, die ihre Drohnen D-Dalus als „effektive Lösungen“ unter anderem für „Anschläge von Terroristen, Überfälle somalischer Piraten, Angriffe despotischer Regierungen mittels Fluggeräten und Artillerie gegen das eigene Volk“ bewirbt.

Im Juli 2014 posaunte die Laakirchner Firma Aerie stolz medial hinaus, dass das US Air Force Research Laboratory den Entwurf eines Gerätes basierend auf dem Aerie Permafly Design in Auftrag gegeben hat und das Fluggerät „Pathfinder“ in Formgebung und Entwurf nahezu ident zu den von Aerie angebotenen Geräten, dem sogenannten „Permafly“ System ist. Aerie-Geschäftsführer Johannes Reiter verkündete dazu recht offen „Das Militär hat mit Abstand das meiste Geld, und kann sich die Experten leisten – von denen kopiert zu werden ist mehr als nur ein Kompliment. Dadurch ist unser Gerät am Luftfahrtmarkt nicht mehr ignorierbar“ um sogleich einzuschränken, dass der militärische Markt für das 2009 gegründete Laakirchner Unternehmen nicht erstrebenswert sei.

Kein Wunder, Drohnen-Kill kommt eben doch nicht besonders gut an. Reiter argumentiert in Hinblick auf die Marktchancen damit, dass ein Hubschrauber mit einer Reichweite von 300 Kilometern mit einer maximalen Flugzeit von acht Stunden von Drohnen mit einer Reichweite von 900 Kilometern und einer Flugzeit von 24 Stunden schon kostenmäßig ausgestochen würde und daher „die Besitzer großer Landflächen uns die Türen einrennen“.

Das wirft die Frage auf, wie tief die Universitäten und Forschungseinrichtungen bereits in militärische Entwicklungen und Rüstungsprojekte – und damit in das gezielte Morden via Drohnen – verwickelt sind. Mit dem 7. Rahmenforschungsprogramm wurden die Forschungsförderungstöpfe der EU erstmals direkt für Militär und Rüstung geöffnet und schon bis 2013 dafür 54 Mrd. Euro aufgewendet. Auch beim Nachfolgeprogramm „Horizon 2020“ ab 2014 ist Österreich wieder dabei. Die EU will damit vor allem das früher verpönte „Dual-Use“, die Vermengung ziviler und militärischer Forschungen, ankurbeln. Der Zugriff dabei ist sehr direkt: 8,8 Mio. Euro haben hiesige Unis und die Akademie der Wissenschaften seit 2009 vom US-Verteidigungsministerium erhalten: „An fast allen großen österreichischen Unis kooperieren Forschungsteams mit dem US-Militär“ (Wiener Zeitung, 8.7.2014).

Dass sich Rüstungsfirmen immer mehr in Forschung und Lehre einkaufen ist nicht neu. So gab es bereits Ende der 1980er Jahre ein Institut namens FOTO-Linz an der Linzer Johannes-Kepler-Universität, in dem für die nachweislich im Rüstungsbereich tätige Firma Hainzl-Industriesysteme geforscht wurde und deren Aktivitäten 1989 sogar von der Stadt Linz gefördert wurden.

Solchen Aktivitäten soll mit Zivilklauseln dagegengehalten werden, wie sie bereits an 13 deutschen Unis erkämpft wurden. In Österreich gibt es erste Ansätze dazu an der Boku Wien. Eine Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten für zivile und friedliche Zwecke. Also nicht für Militär- bzw. Rüstungsindustrie zu forschen und keine Drittmittelkooperationen mit diesen Einrichtungen einzugehen.

Abseits von den militärischen Aspekten macht aber bekanntlich auch Kleinvieh Mist, und nicht gerade wenig, wie der Drohnen-Boom bei selbsternannten Spionen beweist. Bei Amazon rangiert etwa der satte 1.500 Euro teure DJI Phantom, ein Spitzengerät der sogenannten Quadcopters, in der Kategorie „Kameras“ auf Platz 75 der beliebtesten Artikel, von Billiggeräten gar nicht erst zu reden. Jeder Hinz und Kunz glaubt heute schon mit einer Drohne imponieren zu müssen. So werden auch ziemlich alle ohnehin recht dürftigen gesetzlichen Regelungen systematisch übertreten.

Gesetzlich ist der Drohneneinsatz nämlich jedermann ohne Schulung und Bewilligung möglich, wenn dies auf unbebautem Gebiet bis maximal 150 Meter Flughöhe und innerhalb eines Radius von 500 Metern erfolgt. Wird hingegen per Drohne gefilmt, ist ein Kurs (100 Euro) und eine Gebühr (244 Euro) erforderlich. Ob das angesichts der zunehmenden Zahl ins Netz hochgeladenen Drohnen-Videos eingehalten wird, darf mehr als bezweifelt werden.

Idioten bekanntlich nichts verboten: Davon zeugt die wachsende Zahl von tatsächlichen und gerade noch vermiedenen Drohnen-Kollisionen. Hinreichend bekannt ist, dass der Skirennläufer Marcel Hirscher beim Nachtslalom von Madonna di Campiglio im Dezember 2015 von einer abstürzenden Drohne, die den Lauf mitfilmte nur um wenige Zentimeter verfehlt wurde. Im August 2016 verfehlte eine Drohne im Kärntner Gailtal einen ÖAMTC-Rettungshubschrauber bei 240 km/h im Einsatz zur Bergung eines Schwerverletzten nur um wenige Meter, in 900 Meter Höhe wo üblicherweise höchstens Hängegleiter oder Segelflieger unterwegs sind. Dabei genügt schon eine Leichtgewicht-Drohne mit 1,5 Kilogramm um bei einem Treffen am Rotorkopf einen Hubschrauber zum Absturz zu bringen oder ein Cockpit zu durchschlagen. Und so ist für Drohnenkunst wie Drohnenkill umfassend gesorgt und Geschäfte wie Profite mit solchen Geräten boomen.

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